Dienstag, 25. November 2008

"Unerträglicher Zeitgeist"

Rainer schreibt in einem Leserbrief an die ZEIT-Redaktion zu einem Artikel von Joseff Joffe:


Unter der Überschrift Stalin am Main gibt Josef Joffe wieder einmal seine Meinung zum Besten: unverstellt, pointiert – und unerträglich, zynisch, demagogisch. Das Wörterbuch des Unmenschen dient ihm diesmal dazu, eine Linie von der Sprache und den Untaten des Nationalsozialismus über die Entgleisungen der linkstotalitären Regime des 20. Jahrhunderts direkt zu den aktuellen sogenannten hessischen Verhältnissen zu ziehen. Ein wahrhafter Parforceritt.
Dass eine Partei unmenschlich mit Widerständlern verfahren würde, wenn sie von ihren Mandatsträgern erwartet, dass diese eindeutige Mehrheitsbeschlüsse nach einem sorgfältigen und höchst transparenten Meinungsbildungsprozess mittragen, verstehe, wer will. Aber vielleicht erschließt sich diese Denkweise letzten Endes nur demjenigen, der nachvollziehen kann, dass eine demokratisch legitimierte Parteitagsmehrheit zum Tyrannen mutieren kann. Herr Joffe, da müssen Sie Ihren Lesern wohl noch etwas erklären! Wie bitte soll politisches Handeln anders organisiert werden, wenn nicht über Mehrheitsentscheidungen? Jedenfalls in einer Demokratie. Gewissensentscheidungen ausgenommen. Aber es ist schwer zu begreifen, wenn das Gewissen erst nach den endgültigen Personalfestlegungen spricht, erst dann, wenn eigene Karriereansprüche ins Wanken geraten könnten.
Die hessische SPD hat im Wahlkampf vor allem eines versprochen: eine Politikwende, die Herrn Koch und dessen Politik überwindet. Übrigens genau den Herrn Koch, der seinerzeit mit Methoden und Argumenten an die Macht gekommen ist, die durchaus als grenzwertig zu bezeichnen sind und die sich vom Vokabular des Schreckens leider ganz und gar nicht ausreichend unterscheiden.
DIE ZEIT hat sich als liberale publizistische Stimme in Deutschland immer auch dadurch ausgezeichnet, dass sie sich und ihren Lesern ein weites Meinungsspektrum zumutete. Die zugespitzte Meinung eines der Herausgeber dieses Blattes ist also nichts Besonderes. Aber Beiträge wie dieser Artikel dienen nicht der Aufklärung und dem vernünftigen Argument. Sie vergiften die Debatte und schrecken dabei nicht davor zurück, gedankliche Verbindungen herzustellen, die diffamieren und den gesellschaftlichen Frieden beschädigen können. Vielleicht aber ist das eben Zeitgeist – Zeitgeist, wie dieser Meinungsartikel schließlich rubriziert ist."

5 Kommentare:

Nadine hat gesagt…

Was wir in diesen Tagen als Reaktionen aus der Öffentlichkeit erfahren widerspricht häufig unsere Sicht der Dinge. Unsere „Abweichler“ werden als „Helden“ gefeiert, scheinbar sind sie die einzigen Sozialdemokraten, „die überhaupt noch ein Gewissen haben“ und für die Demokratie eintreten.
Wir Sozialdemokraten müssen diese Einstellung der Menschen wohl akzeptieren – es wird, auch aufgrund der derzeitigen Medienberichterstattung, schwer werden, ihnen unsere Wut plausibel zu machen. Sie wissen nicht, wie hart wir im Wahlkampf bei eiskalten Temperaturen bis zur Erschöpfung für einen Regierungswechsel gekämpft haben. Sie glauben uns nicht, dass wir überrascht waren von der neuen Parteienkonstellation. Sie haben nicht mitbekommen, wie wir mit uns gehadert haben, eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei doch zuzulassen. Die Medien haben nicht berichtet über die vielen Diskussionen, die wir immer wieder geführt haben und in denen wirklich jeder und jede seine Meinung äußern konnte. Die Menschen scheinen auch den ausgehandelten meiner Meinung nach "besten Koalitionsvertrag aller Zeiten" nicht zu kennen, durch den grundsätzliche Änderungen in Hessen tatsächlich möglich wären. Für sie gelten auch keine eindeutigen Parteitagsmehrheiten, für dessen Beschlüsse wir aus ganz Hessen angereist waren, um noch einmal zu diskutieren und uns ganz sicher zu werden, die Verantwortung auf uns nehmen zu wollen. Unsere Medien zeigen leider nur allzu selten die Bilder, in denen Tesch, Everts und Walter deutlich ins Mikro riefen, sie würden diesen Weg mitgehen. Was lernen wir daraus? "Parteiendemokratie" und die damit verbundene "Parteimehrheit" ist für die Öffentlichkeit häufig nicht nachvollziehbar. Unsere von Werbekunden abhängige Medienlandschaft, ob öffentlich-rechtlich oder privat, möchte ihr diese Begriffe nicht erläutern oder verständlich machen.

Für uns Sozialdemokraten ist genau das derzeit nur schwer zu verstehen und zu ertragen.

Anonym hat gesagt…

Entscheidend ist doch, was für eine Politik real im Lande gemacht wird. Politik ist kein Ponyhof, und politische Konzepte muss man auch in der eigenen Partei tatkräftig durchsetzen.
Die Abweichler sind in meinen Augen ganz arme Gestallten, die ihr angeblich gefundenes Gewissen doch schlicht fragen sollten, ob sie es nicht ganz direkt und persönlich zu verantworten haben das jetzt etwa wieder Studiengebühren eingeführt werden.
Die Studierenden haben hierzu eine mehr als klare Meinung: wer hat uns verraten - Sozialdemokraten.

Nadine hat gesagt…

Herr Koch würde ja angeblich die Studiengebühren nicht wieder einführen. Wers glaubt wir selig. Das dauert keine sechs Monate, dann sind wegen der Finanzkrise die Gelder knapp und da die Bildung ja so wichtig ist, müssen die Universitäten noch besser ausgestattet werden und das geht aufgrund knapper Kassen nur mit Studiengebühren..... ich hoffe, Studierende sind schlau genug, um auf die Masche nicht hereinzufallen.

Anonym hat gesagt…

KLARTEXTblog ist ein Auftritt im Internet für Menschen, die keine Zeit haben. Sie besteht aus einer losen Sammlung mit Kommentaren, die zum Ausbrechen aus der Hektik und zum Verschwenden eines Augenblicks anregen. Teils finden die Beiträge Zuspruch, teils fordern sie auf, etwas mit der Umgebung oder der Situation, in der man sich gerade befindet, zu tun. Beispielsweise sollen "WIR" zustimmen oder auf den Kommentar antworten. Auf die "Blogs" oder auch "Tagebücher" genannt, können !WIE" überall mit den gerade zur Verfügung stehenden Mitteln antworten und uns so nicht vor Ort treffen. Es lebe die ÖFFENTLICHKEIT

Nadine hat gesagt…

Vor Ort kann man uns mindestens zweimal im Monat treffen. Dann nämlich finden unsere (in der Regel auch für Gäste offenen) Ortsvereinstreffen statt. Die Termine findest Du auf unserer Homepage.
http://www.spd-offenbach.de
Wir hoffe, Du kommt mal vorbei und wir sehen Dich in der ÖFFENTLICHKEIT.